LERNEN war mein Wort des Sabbatical-Jahres

Mein Wort für mein 365-Tage-Sabbatical war „LERNEN“. Ich wollte Dinge tun, die ich noch nie zuvor gemacht hatte, mich in Dingen verbessern, die ich noch nicht so kann wie ich sie gerne können möchte, Orte besuchen, an denen ich noch nie war, aber auch bereits besuchte Orte mit anderen Augen sehen. Ich ging auf die Suche nach dem Abenteuer, bei dem ich meine Komfortzone verlassen musste, um als Person wachsen zu können.

Außerhalb meiner Komfortzone war ich oft! Ich habe die Unsicherheit gespürt nicht zu wissen, wo ich nachts schlafen kann. Ich bin zum ersten Mal in meinem Leben allein ins Kino gegangen. Ich habe gesehen, wie ein Schaf geschlachtet wird. Ich bin halb-wilde Pferde geritten. Ich habe in einer ‚conscious living community‘ gelebt. Ich habe an einer 4-stündigen Meditation teilgenommen, wo wir uns mal angebrüllt, mal an den Händen gehalten und „ich liebe dich“ gesagt haben. Ich hatte wirklich viele Gelegenheiten, zu lernen und zu wachsen.

Ich war außerdem so ziemlich konstant voller Ehrfurcht vor dieser Welt: Ich erlebte so viele magische Momente, wie nachts mit Manta-Rochen schnorcheln, den Frieden und die Ruhe eines buddhistischen Klosters spüren, Baby-Schildkröten nach dem Schlüpfen auf ihrem Weg zum Ozean beschützen (und am Strand schlafen, um das Nest zu bewachen), durch Lavafelder wandern, einen Feuertanz ansehen, das Nyepi – das balinesische Neujahr – in völliger Stille erleben, mit einem Hubschrauber über „Jurassic Park“ fliegen und wirklich tief in mein Herz und meine Seele reisen.

Beim Reflektieren über dieses Jahr fielen mir tatsächlich mehrere Worte ein:

Meine 10 Wörter

  • Lernen: über die Welt, das Leben und mich selbst
  • Freiheit: zu entscheiden, wohin ich gehe, was ich tue und wie ich mich fühle
  • Angst: ist außerhalb unserer Komfortzone immer da und darf eingeladen werden
  • Wachstum: ist unvermeidlich durch Erfahrungen außerhalb der Komfortzone
  • Veränderung: ist unvermeidlich mit Wachstum, da wir uns weiterentwickeln
  • Glück: besonders, als ich erkannte, dass mein ‚happy place‘ in mir liegt
  • Investition: in mich selbst, meine Erfahrungen, und mein eines, einzigartiges und wertvolles Leben
  • Einfachheit: Bewusstsein darüber, was ich im Leben brauche (und was nicht)
  • Nicht-Anhaftung: das Loslassen von allem, was mich nicht ausmacht und nicht zu mir gehört
  • Dankbarkeit: für diese Möglichkeit zu reisen, zu lernen, zu erleben und zu wachsen

Erkenntnisse und Highlights aus meinem 1-jährigen Sabbatical: Eine Reise in 7 Etappen

Von März 2023 bis März 2024 habe ich eine Auszeit von meinem Job im internationalen Großkonzern genommen. Dort hatte ich im Oktober 2012 mit einem Trainee-Programm gestartet, bei dem ich 3 Stationen durchlaufen habe, wovon eine in Mexiko war. Zurück in Deutschland habe ich lange im Innovations-Management gearbeitet, bis ich 2018 meine erste Auszeit genommen habe und ein halbes Jahr alleine durch Lateinamerika gebackpackt bin. Danach war ich im Produktmanagement und schließlich in der Strategieberatung, bevor mich wieder das Abenteuer rief und ich dieses Mal ein ganzes Jahr „frei“ hatte.

Wie habe ich diese Zeit verbracht, und war sie gut investiert? Was habe ich gelernt? Wohin bin ich gereist und was hat mich fasziniert? Ich werde meine Erkenntnisse und Highlights mit dir teilen – Spoiler: Ich kann jedem nur empfehlen, eine solche Reise zu unternehmen! Dieses eine Jahr fühlte sich wie zehn an, weil es so voller Erfahrungen und Wunder war. ✨

Etappe #1 Indonesien & Thailand

Lektion: Loslassen

Ich verbrachte ungefähr 2 Monate auf Bali, ein langes Wochenende in Singapur, eine Woche auf Sumatra und beendete die Reise mit 2 Wochen in Thailand auf Koh Phangan.

Das Klima ist sehr heiß (und feucht), und es hat sich auf verschiedenen Ebenen so angefühlt, als würde ich wahrhaftig durchs Feuer gehen. Es gab nämlich sowohl körperliche als auch mentale Herausforderungen, die ich meistern musste: Ich war sehr aktiv; ich habe die Reise wieder mit einem 2-wöchigen Surf Camp gestartet, wo ich meistens 2x täglich surfte, ich wanderte mehrere Tage durch den Dschungel, und praktizierte regelmäßig für bis zu 4 Stunden am Tag Yoga. Auch weil es Teil meiner Yogalehrerausbildung war, die unglaublich toll, aber auch sehr intensiv war und einige ungelöste Themen aus der Vergangenheit ans Licht brachte.

Was ich in dieser ersten Etappe gelernt habe, war, loszulassen. Nämlich Loslassen von:

  • Erwartungen: Ich hatte erwartet, dass Bali touristisch, aber dennoch sehr spirituell ist. Doch nachdem ich mich eher wie ein wandelnder Geldautomat als eine Person fühlte, beschloss ich, stattdessen nach Sumatra und Thailand weiterzureisen.
    (Ich denke, der Charakter eines Landes ist besonders wichtig, wenn man allein reist, da man niemanden hat, der einen davon ablenkt…)
  • Komfort: Hast du schon mal gehört, dass man lernen sollte, sich im Unbequemen wohlzufühlen? Nun, das ist sehr nützlich, wenn du aus deiner Komfort- und vielleicht auch deiner Kraftzone herausgeschubst wirst und so richtig tief in die Lernzone eintauchst!
    (Danke auch an die Qualle, die mich hat fühlen lassen, wie sich unbequem anfühlt…)
  • Groll: Es stellte sich heraus, dass ich immer noch an Wut weit aus der Vergangenheit festhielt, und jetzt war es an der Zeit, zu vergeben und loszulassen. Vergebung ist eines der befreiendsten Dinge, die du tun kannst – es fühlt sich an, als würdest du all das unnötige Gepäck abwerfen, das du mit dir herumschleppst.
    (Deine Schultern werden es dir danken, besonders wenn du fast 25kg auf deinem Rücken angesammelt hast…)

Es war eine intensive Reise, und ich glaube, es war die erste Reise überhaupt, bei der ich froh war, wieder nach Hause zu kommen. Ich habe viel losgelassen, was nicht zu mir gehörte – aber ich habe auch so viel dazu gewonnen, und ich bin unglaublich dankbar, dass ich eingeladen wurde, durchs Feuer zu gehen und wie ein Phönix aus der Asche zurückzukehren. Noch dazu bin ich jetzt zertifizierte Yogalehrerin!

Zusammen mit vielen wilden Orang-Utans, die einfach super lustig und faszinierend sind, durch den Dschungel von Sumatra zu trekken, war eine wirklich atemberaubende Erfahrung. Draußen in der Wildnis zu sein, erinnere mich daran, was wir im Leben wirklich brauchen: Essen, Wasser, ein Dach über dem Kopf und die Gesellschaft guter Menschen. Den ganzen anderen Rest? Können wir loslassen.

Reflexionsfragen

Gibt es etwas, was du loslassen möchtest?

Etappe #2 Mongolei

Lektion: Wir brauchen im Leben weniger als wir vielleicht denken

Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, die Adlerjäger im fernen Westen des Altai-Gebirges zu finden. Außerdem ist die Mongolei ein Pferdeland, und ich bin als Pferdemädchen aufgewachsen. Also begab ich mich auf eine zweiwöchige Reiterreise! Wir waren eine Gruppe von 12 Personen: 5 französische Reiter, 2 Guides, 1 Fahrer (wir hatten einen kleinen Pick-up-Truck, der all unsere Vorräte trug), 2 Köchinnen, 1 Übersetzerin (die nur Französisch sprach) und ich, eine Deutsche, die seit fast 20 Jahren ihr Schulfranzösisch nicht mehr verwendet hat… Und natürlich unsere 9 halb-wilden Pferde.

In 11 Tagen legten wir eine Strecke von 400 Kilometern zurück. Wir verbrachten die ganze Zeit im Freien (und in Zelten) und trafen kaum eine Menschenseele. Die Mongolei ist eines der am dünnsten besiedelten Länder der Welt mit 2 Menschen pro Quadratkilometer (im Vergleich: Deutschland hat über 230 Menschen pro Quadratkilometer). Also bist du ziemlich auf dich allein gestellt, wenn dein Pick-up-Truck wegen der Kälte nicht anspringt. Du hast ein Problem, wenn dein Pferd wegläuft. Und du bist auf die Ressourcen angewiesen, die die Natur zur Verfügung stellt (besonders Wasser, aber auch Schafe – wir haben eines geschlachtet und zum Abendessen gegessen). Und auch auf die unglaubliche Gastfreundschaft der Nomaden (die 2–3-mal im Jahr umziehen und ihr ganzes Leben auf einen kleinen Lkw packen können).

Was ich in dieser zweiten Etappe gelernt habe, war Resilienz und was ich im Leben wirklich brauche:

  • Das Leben ist hart, aber alle unterstützen sich gegenseitig: Alle Gers (die traditionellen Zelte) sind immer offen, und du kannst jederzeit hineingehen und wirst Essen und Wasser vorfinden (ob der Gastgeber da ist oder nicht). Und wir haben den Truck so oft angeschoben, wie es nötig war, um ihn wieder zum Laufen zu bringen (es gibt schließlich keine andere Option).
  • Alles muss pragmatisch sein und einen Zweck erfüllen. Alle Ressourcen werden sehr bewusst genutzt, und nichts wird verschwendet.
  • Ich habe eine umfangreiche Liste erstellt, was wir im Leben wirklich brauchen, mit Kategorien, die von „must have“ bis „purer Luxus“ reichen – schau es dir an und sag mir, ob du zustimmst oder nicht! (und ist es nicht unglaublich, wie viel puren Luxus wir für selbstverständlich erachten?)

Diese „back-to-the-roots-Reise“ habe ich dem Element Erde zugeordnet. Eines meiner Highlights war es, komplett offline zu sein, ohne jegliche äußeren Ablenkungen. Es ist eine andere Art der Entspannung, und ich habe es genossen, zu den Wurzeln zurückzukehren – zum einfachen Leben. Obwohl es hart, herausfordernd und anspruchsvoll ist, ist es auch schön und voller Frieden, Verbindung, Lachen und so viel reiner und roher Schönheit.

Reflexionsfragen

Kannst du dir vorstellen, mehrere Wochen lang komplett abgeschottet zu sein? Ist das etwas, das du gerne tun würdest, oder ist es unvorstellbar?

Etappe #3 zu Hause

Lektion: Glück hängt nicht von einem Ort ab, sondern von deiner Einstellung

Ich entschied mich, die Sommermonate zu Hause zu verbringen. Ich wollte mir die Zeit nehmen, meine Reisen zu reflektieren, die Reise-Batterie wieder aufzuladen und jede Menge Dinge zu erledigen. Interessanterweise habe ich zu Hause viel weniger erledigt als unterwegs! Ich glaube, es ist einer dieser typischen „Ich habe so viel Zeit, also plane ich viele Dinge und am Ende habe ich überhaupt keine Zeit mehr, weil ich zu viel geplant habe“-Momente. Und auch das war schön, weil ich so viel Zeit – ohne jeglichen Zeitdruck – mit meiner Familie, meinen Freunden und meinen Liebsten verbracht habe. Ich denke, das ist eine der schönsten Dinge an einem Sabbatical: Zeit zu haben.

Es stimmt, wir haben alle die gleiche Menge Zeit, und sie ist immer eine Konstante (24 Stunden pro Tag), und ja, wir wählen, wie wir unsere Zeit nutzen. Aber Geld verdienen ist eine Notwendigkeit im Leben, und wir verbringen viel Zeit bei der Arbeit. Daher habe ich es wirklich genossen, den Luxus zu haben, mit meiner gesamten Zeit genau das tun zu können, was ich wollte. Allerdings muss ich sagen, dass genau das mich auch am meisten unter Druck gesetzt hat. Ich hatte ja „nur“ 1 Jahr frei und hatte das Gefühl sicherstellen zu müssen, dass ich diese Zeit weise nutze. Das verursachte eine andere Art von Dringlichkeit, wirklich herauszufinden, was ich im Leben tun wollte, und genau das dann auch zu tun.

Aber ich habe auch erkannt, dass wir oft getrieben sind auf der Suche nach irgendetwas, anstatt zu erkennen, dass wir bereits alles in uns tragen. Was kommt dir in den Sinn, wenn du an deinen „Happy Place“ denkst? Vielleicht der Strand? Eine Hütte im Wald? Eine Decke vor dem Kamin? Von Familie und Freunden umgeben zu sein? Wenn du darüber nachdenkst, geht es allerdings nie um den tatsächlichen physischen Ort. Es geht um das Gefühl, das du in genau diesem Moment verspürst – oder verspürt hast. Und wenn es ein Gefühl ist, bedeutet das nicht, dass wir es immer in uns tragen? Und dass wir darauf zugreifen können, wann und wo immer wir es wollen (oder brauchen)? Unser ‚Happy Place‘ ist also nicht wirklich ein physischer Ort, sondern eher ein Gemüts- (und Herzens-)zustand, den wir überall hin mitnehmen.

Glück hängt nicht von einem Ort ab, sondern von deiner Einstellung.
Es spielt absolut keine Rolle, wo du deine Zeit verbringst, sondern wie du sie verbringst.

Wir müssen also nicht immer irgendwo anders sein – wir erschaffen unseren eigenen ‚Happy Place‘ in genau diesem Moment. Versteh mich nicht falsch – ich liebe das Reisen und wie es unsere Herzen und Gedanken öffnet, uns herausfordert und lehrt und uns so viel Schönheit und Wunder aufzeigt. Aber wir können den Druck loswerden, irgendwo Spektakuläres sein zu müssen, weil es überall spektakulär sein kann.

Reflexionsfragen

Was sind deine Gedanken dazu? Was ist dein ‘Happy Place’?

Etappe #4 Hawai’i

Lektion: Das Leben ist schön, vor allem mit ALOHA ♥

Hawai’i hat mich über mehrere Monate hinweg immer wieder gerufen: Ich hörte es in so vielen Liedern, las darüber in so vielen Büchern, und es tauchte an so vielen verschiedenen Stellen auf, dass ich es als ein Zeichen des Universums ansah, dass das mein nächstes Ziel werden sollte.

Da es wirklich teuer ist, war es nicht einfach zu planen, und ich war kurz davor, meine Reise an einen erschwinglicheren Ort zu verlagern. Doch dann griff das Glück oder das Universum oder wie auch immer man es nennen mag, ein, und ich fand eine Wohnung und ein Auto, das ich untermieten konnte, während der Besitzer selbst im Urlaub war. Abgesehen davon, dass es bezahlbar war, war es wirklich cool, weil ich mich wie eine echte Einheimische fühlte – mit Aufklebern auf meinem Jeep und den Strandstühlen im Kofferraum („always be beach-ready!“) und den Kakerlaken und Skorpionen in meiner Wohnung. Wenn es dort zu heiß wurde, arbeitete ich bei Starbucks weiter an meiner Homepage, ich nahm verschiedene Tanzkurse und habe mich ehrenamtlich engagiert. Obwohl ich mir nicht sicher bin, ob man die ehrenamtliche Arbeit wirklich „Arbeit“ nennen kann: Ich patrouillierte frühmorgens zauberhafte Strände, um Anzeichen dafür zu finden, ob Schildkröten ein Nest gebaut haben, starrte bei ausgewiesenen Nestern auf den Sand, um zu beobachten, ob die Babyschildkröten schlüpften und wenn sie schlüpften, half ich sicherzustellen, dass sie sicher ins Meer gelangen.

Zwei Dinge fand ich besonders bemerkenswert: die Nähe zur Natur und die Gemeinschaft. Es gibt einen unglaublichen ALOHA-Spirit, der überall zu spüren ist. Als ich bei meinem Fahrrad einen Platten hatte und es zum Laden schob, rief mir jemand dreimal hinterher, dass er eine Luftpumpe habe und mir helfen könne (ich war erstaunt; nach meinen Erfahrungen in Bali hatte ich gelernt, Leute, die mir nachrufen zu ignorieren, aber hier meinten sie es wirklich gut und ließen sich auch davon nicht beirren, dass ich zunächst nicht reagierte). Obwohl das Leben hier nicht leicht ist, schätzen und würdigen die Menschen es. Sie leben im Hier und Jetzt, sind unglaublich dankbar und kümmern sich aufrichtig umeinander. Es fühlte sich an, als würde hier wirklich jeder nach dem ALOHA-Prinzip leben. Obwohl es keine gute Übersetzung für alles gibt, was ALOHA bedeutet, beschreibt dies es, denke ich, ganz gut:

A: Akahai bedeutet Güte, auszudrücken mit einem Gefühl von Zärtlichkeit

L: Lokahi bedeutet Einheit, auszudrücken mit einem Gefühl von Harmonie

O: Olu`olu bedeutet Friedfertigkeit, auszudrücken mit einem Gefühl von Freundlichkeit

H: Ha`aha`a bedeutet Demut, auszudrücken mit einem Gefühl von Bescheidenheit

A: Ahonui bedeutet Geduld, auszudrücken mit einem Gefühl von Ausdauer

Ich habe hier Magie erlebt: das Schlüpfen von Babyschildkröten, Schnorcheln mit Manta-Rochen bei Nacht, Campen an einem abgelegenen Strand mit meilenweit unberührter Natur, das Spüren der Präsenz von Pele, der hawaiianischen Göttin der Lava. Ich wurde daran erinnert, wie schön unsere Welt ist und wie viel Güte es überall gibt. Und ich habe mich davon mitreißen lassen – und diese Reise dem Element Wasser zugeordnet: ich war im Flow.

Was ich gelernt und mitgenommen habe, ist der ALOHA-Spirit – den Wunsch, Güte, Harmonie, Demut und Geduld zu verbreiten. Es klappt nicht immer, aber ich versuche es ♥

Reflexionsfragen

Wann hast du zuletzt den ALOHA-Spirit gespürt? Wann war ein Moment, in dem jemand freundlich zu dir war und dir den Tag versüßt hat?

Etappe #5 San Diego

Lektion: Wir wachsen mehr als uns bewusst ist

2008 habe ich ein Semester lang in San Diego studiert. Jetzt, 15 Jahre später, war ich zum ersten Mal wieder dort. Ich hatte mir eine Liste von Dingen gemacht, die ich – genau wie früher – unbedingt wieder machen wollte: einen Burger bei In’N’Out essen, im Fashion Valley shoppen, den Sonnenuntergang auf Coronado Island sehen, am SDSU-Campus abhängen und bei ‚Fred’s‘ in Old Town einen Shrimp-Burrito und einen Erdbeer-Margarita zu mir nehmen.

Es war ziemlich erstaunlich: Es scheint, als würde Kalifornien überhaupt nicht altern! Das Essen und die Getränke schmeckten genauso wie damals, ich ging in dieselben Läden, die Sonne ging genauso unter, und das Einzige, woran ich mich nicht mehr erinnern konnte, war, wie schön der Campus war. Auf den ersten Blick hatte sich überhaupt nichts verändert!

Außer vielleicht einer Sache: Ich! Und weil ich mich verändert habe, habe ich San Diego mit anderen Augen gesehen. Aber woran ich mich am meisten erinnerte, war, wie ich mich damals gefühlt habe. Ich bin froh sagen zu können, dass ich inzwischen glücklicher bin, als ich es damals war. In meinen frühen Zwanzigern habe ich mich oft etwas verloren, unsicher und irgendwie eingeengt gefühlt. Heute frage ich mich, warum um alles in der Welt ich damals nicht jeden einzelnen Tag am Strand verbracht habe! Dieses Mal habe ich den Ort an sich mehr genossen, die vielen Vorzüge besser genutzt und war sehr dankbar, dass ich meine Erinnerungen wieder aufleben lassen konnte.

Ich war noch nie jemand, der sich wünscht, die Zeit zurückzudrehen und in der Vergangenheit leben zu können. Ich habe das Gefühl, dass wir aus jeder Phase, die wir in unserem Leben durchlaufen (Schule, Universität, …), das lernen, was wir daraus mitnehmen sollen. Dann beginnen wir die nächste Phase und entwickeln uns weiter. Manchmal ist es aber auch schön, durch einen eindeutigen Referenzpunkt deutlich zu sehen, wie sehr wir gewachsen sind und wie sehr wir uns im Laufe unseres Lebens verändert haben. Der Grund, warum ich heute die Person bin, die ich bin, ist unter anderem das, was ich in San Diego erlebt habe. Ich kann mit Sicherheit sagen, dass ich dort meine Nervosität vor Präsentationen abgelegt habe, weil wir es so oft im Unterricht gemacht haben! Das war in meiner beruflichen Laufbahn wirklich super hilfreich. Ich bin aber auch sehr dankbar zu sehen, wie weit ich im Leben schon gekommen bin und bin sehr gespannt, wie ich in 15 Jahren auf mein jetziges Leben zurückblicken werde.

Reflexionsfragen

Wann ist dir das letzte Mal aufgefallen, wie sehr du dich im Laufe deines Lebens verändert hast? Bist du glücklich mit der Person, die du geworden bist?

Etappe #6 Mexiko

Lektion: Finde die Ruhe im Chaos

Mexiko war ein Wirbelsturm.

Zu der Zeit reiste ich mit meinen Eltern durch Baja California, und wir frühstückten gerade auf unserem Balkon. Es war ein wunderschöner Tag, die Sonne schien – alles wie immer. Mein Vater las die Nachrichten und stieß auf folgende Schlagzeile: „Continental strukturiert um und wird den Geschäftsbereich Smart Mobility bis Ende 2023 auflösen.“ Er fragte mich: „Betrifft dich das in irgendeiner Weise?“ – „Nun ja“, antwortete ich, „wenn man bedenkt, dass ich in der Strategie des Geschäftsbereichs Smart Mobility arbeite, würde ich sagen, dass ich keinen Job mehr habe, wenn ich im März 2024 zurückkomme.“ Kurz darauf meldete sich mein damaliger Chef bei mir mit den Worten: „Wir müssen reden…“

Offensichtlich änderte das sämtliche Pläne und Optionen für meine Rückkehr in die Firma. Aber seien wir ehrlich – daran kann ich nichts ändern. Die Entscheidung war gefallen, und da ich bereits die Auflösung eines Geschäftsbereichs miterlebt hatte, wusste ich, dass es seine Zeit dauert, bevor man irgendwas mit Sicherheit sagen kann. Es gibt jede Menge Verwirrung, Unsicherheit und Chaos. Es ist ein Wirbelsturm.

Also beschloss ich, dem Beispiel des Fregattvogels zu folgen, der entlang der Küste von Baja California brütet. Diese Vögel sind ziemlich groß, aber sehr leicht. Dadurch können sie wahnsinnig lange fliegen. Fregattvögel sind die einzigen Vögel, von denen man weiß, dass sie einen Wirbelsturm überleben. Wie? Sie fliegen direkt ins Auge des Sturms und verweilen dort ganz entspannt, bis er vorüber ist.

Genau das tat ich auch. Ich hatte hart gearbeitet, um mir diese freie Zeit während meines Sabbaticals zu verdienen, die ich ausschließlich dem Lernen und Reisen widmen wollte. Ich wollte mir eben nicht ständig Gedanken über meinen Job machen. Daher traf ich die bewusste Entscheidung, mich erst mit den Konsequenzen auseinanderzusetzen, wenn ich zu Conti zurückkehren würde. Was auch immer auf mich zukommen würde – es würde ohnehin kommen. Und ich vertraute darauf, dass ich es bewältigen kann.

Ich blieb im Hier und Jetzt – in der Gegenwart. Ich genoss die Zeit mit meinen Eltern. Während meiner Yin- und Restorative-Yogalehrerausbildung an einem magischen Ort in der Nähe von Todos Santos lernte ich nochmal mehr in die Ruhe einzutauchen. An meinem letzten Tag machte ich morgens einen Spaziergang am Strand und sah dabei Wale, die im Ozean tanzten. Es war ein absolutes Highlight diese majestätischen Tiere im Wasser springen und spielen zu sehen. In solchen Momenten ist das Leben unglaublich einfach.

Reflexionsfragen

Hat es dir schonmal geholfen, während einer „Wirbelsturm-Situation“ die Ruhe zu bewahren? Glaubst du, dass du dadurch bessere Entscheidungen getroffen hast?

Etappe #7 Norddeutschland

Lektion: Nichtstun & Herunterschalten sind die Voraussetzung, um danach wieder Vollgas geben zu können

Während meiner Reisen wurde mir bewusst, wie viel Freiheit ein Auto bedeutet. Es ermöglicht mir, jederzeit überall hinzufahren, wo ich möchte. Also beschloss ich, dass ich für meine letzte Sabbatical-Reise einen Roadtrip mit meinem eigenen Auto machen würde.
Mein Zeitrahmen war Januar/Februar. Wohin also? Ich schloss den Süden aus, da kaltes Wetter an Orten, die eher an warmes Klima gewohnt sind, oft nicht so angenehm ist. Aber der Norden – dort gibt es Saunen, Kamine und gemütliche Cafés. Außerdem war es weit abseits jeglicher Saison, also wäre es ziemlich menschenleer. Für mich klang das perfekt – ein bisschen wie die Ruhe vor dem Sturm. Ich rechnete damit, dass das Leben turbulent genug werden würde, wenn ich im März zu einem nicht mehr existierenden Job in einem sich transformierenden Unternehmen zurückkehren würde.

Bevor ich mich auf meine Reise (im Grunde die erste in die Kälte) begab, kaufte ich mir eine warme Jacke und warme Schuhe. Ich packte mein Auto voll mit selbstgemachtem Granola, meiner Yogamatte und Dutzenden von Büchern und fuhr Richtung Norden. Meine Route führte mich zunächst nach Rügen, dann über Norddeutschland bis nach Spiekeroog, eine autofreie, abgelegene ostfriesische Insel in der Nordsee (wobei ich das Tempo noch weiter auf nur noch Schrittgeschwindigkeit reduzierte). Wo auch immer ich war, fast alles hatte geschlossen. Selbst die Supermärkte machten Mittagspause, und ich musste die Öffnungszeiten jedes Cafés oder jeder Attraktion dreifach prüfen. Es war kaum eine Menschenseele anzutreffen.

Ich verbrachte meine Tage im Grunde so: Ich stellte keinen Wecker. Wenn ich aufwachte, machte ich Yoga und meditierte. Danach gab es ein spätes Frühstück. Ich arbeitete ein paar Stunden an meinem Business (und habe endlich meine Homepage gelauncht, die ich von Grund auf selbst erstellt habe – eine große Herausforderung für jemanden wie mich, der nicht besonders technikaffin ist). Ich ging mehrere Stunden in der Natur spazieren, meistens am Meer entlang. Manchmal wärmte ich mich in einem Café auf. Zu Hause kochte ich mein Abendessen. Oft sah ich einen Film und las viele Bücher. Das Abenteuerlichste, das mir passierte, war, dass ich fast von der schnell aufsteigenden Nordsee-Flut eingeschlossen wurde.

Für mich fühlte es sich an wie im Winterschlaf. Ich zog mich aus der Welt zurück, lebte in meiner eigenen kleinen Blase ohne Druck, Erwartungen oder Verpflichtungen. Ich fastete eine Woche lang und machte einfach alles langsam. Ich würde sagen, dieser Teil der Reise war dem Element Luft zugeordnet: frei zu sein, zu tun, wonach mir gerade war. Das Tempo zu verringern und es ruhig angehen zu lassen, ermöglichte es mir, viel mehr Details entlang des Weges zu sehen. Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich Schnee am Strand gesehen habe. Manchmal liegt das Außergewöhnliche in den kleinen Dingen, die wir übersehen, wenn wir vorbeihetzen.

Reflexionsfragen

Wann hast du das letzte Mal entschleunigt? Hältst du einen Winterschlaf, wenn dein Energielevel im Winter aufgrund der Kälte sinkt?

Epilog

Diese Reise durch die Elemente, hat mich mehr gelehrt, als ich jemals für möglich gehalten hätte. Sie hat mich mehr herausgefordert als ich erwartet hätte und mich mir selbst dadurch so viel nähergebracht. Sie hat meine Augen, mein Herz und so viele neue Türen geöffnet und mir gezeigt, dass ich dem Leben vertrauen kann. Sie hat mir den Mut gegeben, meinen eigenen Weg zu gehen und meinen Job zu kündigen und mein gesamtes Leben in ein Abenteuer zu verwandeln. Ich freue mich auf alles, was kommt…

Highlight

Zeit zu haben

  • für die wichtigen Dinge im Leben (Familie, Freunde un dLiebste)
  • zum reflektieren und nachdenken
  • mir klar zu werden was ich will 
  • mir klar zu werden was ich brauche
  • zu reisen und zu entdecken
  • zu lernen und zu wachsen
  • mich neu kennenzulernen
  • richtig zu leben
Freude
Reflexion
Entspannung

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In unserem Servus Stress Podcast – überall wo es Podcasts gibt.
Episode ‚1 Jahr Sabbatical: Steffis Erkenntnisse, Lektionen & Fazit‘ 

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